»Hält man den Verstand auf die Leere gerichtet, auf den Raum, kann man sehn, es kann alles darin sein, ist tatsächlich darin.« John Cage

Der Leipziger Brühl hat sich in seiner Erscheinung in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach gewandelt. Seine bauliche Verfasstheit setzt sich aus Elementen zusammen, die seine Geschichte präsent halten: Seine Bedeutung, historische Zäsuren und Bruchlinien sind augenfällig – Verlust und persönliche Tragödien sind bis heute spürbar. Ausgangspunkt für den Entwurf von As If Nothing Happened ist der Brühl in seinem historischen Bezugsrahmen und seiner künftigen Bestimmung. Der Entwurf setzt dabei an, die Höfe am Brühl als Gesamtheit in einem innerstädtischen Kontext zu begreifen, als ein Ensemble, das als physische Manifestation von Geschichtlichkeit den Alltag in der Stadt künftig mitprägt. Auf dieses Reale – sowohl in seiner historischen als auch gegenwärtigen Dimension – wird ohne Worte, nur mit Licht reagiert. Kein weiteres Material soll hinzugefügt werden. Die ästhetische Qualität ergibt sich aus der Befragung des Bestehenden, dem was ohnehin nun da ist.
Als Werkstoff und Methode dient eine Partitur, die sich an der Erscheinung des Gebäudeensembles orientiert und diese durch Eingreifen in die Lichtsteuerung an entscheidenden Punkten abwandelt. Sie soll als metaphorische Verbindung zwischen Vergangenem und Zukünftigem am Ende eines jeden Tages aufgeführt werden. Die auf dieser Partitur basierende Choreografie des Lichts läuft in drei Phasen ab:
In der ersten Phase werden sowohl die Fassadenbeleuchtung als auch die angrenzende Straßenbeleuchtung abgeschaltet. In der zweiten Phase erlöschen sämtliche Logos gleichzeitig. Ausgehend von der Plauenschen Straße, Ecke Brühl werden in der dritten Phase die Schaufensterbeleuchtungen nach einem festgelegten Raster und im selben Takt nacheinander abgeschaltet. Das so definierte Lichtband zieht sich entlang der Außenseiten beider Baukörper zurück und löst sich sequenziell von zwei Seiten her auf – analog zur Bewegung eines Taktstocks, der einen Impuls ins Orchester setzt und wieder zur Konzentration zurückführt.
Nachdem alle Segmente des Lichtbandes erloschen sind, bleiben die Höfe am Brühl für die Dauer von einigen Minuten dunkel. Der Baukörper verbleibt als ausgedunkeltes Phantom im Zustand vorübergehender Entropie. In ihm kommen Systeme und Menschen zu sich und vermögen, auf sich geworfen, die Dimensionen ihres Platzes und ihres Tuns zu begreifen und zu ordnen – als geschichtlicher Moment, der uns enthält.
Schließlich werden sämtliche Lichtquellen gleichzeitig wieder eingeschaltet.

Stefanie Manthey, FAMED

3D-Renderings: Christian Kügler,
Photos: Stefan Fischer