2016, Mar–
– Kunstverein Braunschweig
2016, Mar–
– Kunstverein Braunschweig
Parole
text on LED display board
Room for an Answer
neon, control switch, dispersion paint
A Throw of the Dice
Will Never Abolish Chance
Rubik’s Cube, spray paint, glass
Prologue
Video #10, 2:31 min.
Du fragst zu früh,
wir können dir nicht helfen
bumper car
Manifest einer Strömung
foil balloons, helium, fans (time-controlled)
The work of the artist group FAMED is best described as a reflection process, which analyses the constitutive orders within the field of the arts. They create spaces for reflection by linking references and citations both in images and in written form – thus stimulating reflection on themselves as well as on other actors within and outside of the art world. By so doing, a constant change of roles and perspectives is provoked and the visitors of the Kunstverein are invited to participate in it.
In the exhibition this confrontation takes place in view of the potential for the new and the unique, whose implicit failure is already claimed in the title Avantgarde & Desaster. Like in past presentations of FAMED, the idea of a mise-en-scène emerges, a narrative, in which the newly produced works complement one another, intertwine, and continue their narrative process. FAMED is committed to creating new connotations between concepts and categories, whether through the lightness of wordplay or by way of (self)ironic commentaries. Language and its transformation into writing play an important part in this practice. Both terms, avant-garde and disaster, are mirrored in different manifestations in the various works. While the title of the show suggests a concrete context and a reciprocal register or interdependence, the works themselves make use of individual aspects of either the one or the other, thus establishing a playful reference to the premise. They shimmer in the in-between.
This work-concept is made explicit, for example, in Room for an Answer, an installation with illuminated neon lettering in the five arched windows of the façade of the remise building. The words “Truth” and “Trash” light-up alternatingly. But this position between the two poles only tells half the truth: the light-change becomes a literal blink. Another work that fills the in-between in an exemplary way is Manifest einer Strömung. We experience a sea of balloons in the form of letters, which constantly shape new patterns through airstreams caused by a ventilation system and the movement of the visitors. We are dealing with a work in text, neither readable nor controllable, because of the constant and random air-circulation, but which, for exactly this reason, carries the potential for the universal. The contradiction between the texts of the manifesto in its relation to the constantly new is a characteristic problem of the avant-garde. In the eye of the spectator the letters form words, potentially a sentence. They create meaning or stay meaningless. It is the artistic strategy of FAMED to apply current patterns of interpretation while at the same time withdrawing from them. The title of another work which labels a single bumper car in the exhibition space, makes reference to a kind of resistance to a concrete definition of their artistic practice: Du fragst zu früh. Wir können dir nicht helfen. (You ask too early. We cannot help you.)
Franz Hempel
kunstvereinbraunschweig.de/exhibitions
Photos: Stefan Stark, FAMED (2,4,9)
Das Schaffen der Künstlergruppe FAMED lässt sich als ein Reflexionsprozess beschreiben, der die konstitutiven Ordnungen des Kunstfeldes untersucht. Durch die Verkettung von Verweisen und Zitaten in bildlicher wie schriftlicher Form werden Denkräume konstruiert, in denen die Reflexion über sich selbst sowie über andere Akteure innerhalb und außerhalb der Kunstwelt stattfindet. Dabei werden fortwährende Rollen und Perspektivwechsel provoziert, zu deren Mitvollzug Besucherinnen und Besucher des Kunstvereins eingeladen sind.
In der Ausstellung findet eine solche Auseinandersetzung in Hinblick auf das Potential des Neuen und Einzigartigen statt, dessen stets eingeschriebenes Scheitern im Titel Avantgarde & Desaster behauptet wird. Wie in vergangenen Präsentationen von FAMED entsteht das Bild einer Gesamtinszenierung, ein Narrativ in dem sich die neuproduzierten Arbeiten ergänzen, verflechten und weiter erzählen. FAMED verschreibt sich der Neukonnotation von Konzepten und Kategorien; nicht selten mit wortspielerischer Leichtigkeit oder in Form des (selbst)ironischen Kommentars. Sprache und ihre Übersetzung in Schrift spielen dabei eine tragende Rolle. Die Begriffe Avantgarde und Desaster spiegeln sich in unterschiedlichen Ausprägungen in den einzelnen Arbeiten wider. Während der Titel der Ausstellung einen konkreten Zusammenhang und die gegenseitige Einschreibung respektive Abhängigkeit suggeriert, bedienen sich die Werke viel mehr einzelner Aspekte des Einen oder des Anderen und nehmen eher spielerisch Bezug auf die aufgestellte These. Sie changieren im Dazwischen.
Explizit wird das beispielsweise in Room for an Answer, einer Leuchtschrift-Installation in den fünf Rundbogenfenstern der Außenfassade des Remisengebäudes. Alternierend leuchtend sind die Worte »Truth« und »Trash« zu lesen. In der Positionierung zwischen diesen beiden Polen liegt nur die halbe Wahrheit; der Lichtwechsel wird zu einem buchstäblichen Augenzwinkern. Eine weitere Arbeit, die den Raum dazwischen auf exemplarische Art und Weise füllt, ist Manifest einer Strömung. Zu erfahren ist ein Meer von Luftballons in Buchstabenform, das sich durch Ventilatorenluftströme und die Bewegung der Besucherinnen und Besucher ständig neu formiert. Es handelt sich um eine Textarbeit, die aufgrund der ständigen Zirkulation weder lesbar noch kontrollierbar ist, aber gerade deshalb die Möglichkeit des Universellen in sich trägt. Der Widerspruch des Festgeschriebenen im Manifest im Verhältnis zum ständig Neuen ist Kennzeichen der Avantgarden. Die Buchstaben verbinden sich im Auge der Betrachtenden zu Wörtern, bilden möglicherweise einen Satz. Sie stiften Sinn oder bleiben sinnlos. Sich gängiger Deutungsmuster gleichermaßen zu bedienen wie zu entziehen ist die künstlerische Strategie von FAMED. Auf eine gewisse Widerständigkeit gegenüber einer konkreten Zuschreibung ihrer künstlerischen Praxis verweist schließlich der Titel einer Arbeit, die allein einen einzigen Autoscooter im Ausstellungsraum bezeichnet: Du fragst zu früh. Wir können dir nicht helfen.
Franz Hempel
kunstvereinbraunschweig.de/exhibitions
Photos: Stefan Stark, FAMED (2,4,9)