2012, Sep–
– ASPN, Leipzig
2012, Sep–
– ASPN, Leipzig
The Moment
inscription on plasterboard
(We Face The Moment When Everything Is Possible And Nothing Happens Until The Moment When Nothing Is Possible And Everything Happens)
Untitled [Eine gewisse unmögliche Möglichkeit…]; [Alkohol]; [Bartelby, The Scrivener]; [Schwänze]; [Wenn Schwache sich für stark halten]; [Fluß ohne Ufer]; [La Société du Spectacle]; [Deutsche Menschen]; [Revolten]; [Weltrevolution in 365 Tagen], 2010–2012
archive prints, object frames
Untitled, 2011
ventilator, glass display cube
Five More Words in Neon
neon
The Happy End (Video #5)
video loop, 27 min.
o.T. [Gelbe Farbe macht aus Spatzen Kanarienvögel]
bird taxidermy, colour pigment
Succinctly phrased questions are very powerful. They have a sense of direction. Anyone who stands in their way will be confronted by a force that pushes relentlessly forward, until its demands are met. A well phrased and clearly articulated response. Not all options to react to this unidirectional force are ever put into practice. The option to elude it and the option to instinctively counter it are the most common reactions. Postponement could be a way to escape a situation of high tension where human existence might be at stake. So is no solution also a solution? Other than dodge or riposte there is also the option to face the force. To stand one’s ground and experience what happens to the inner structure and its manifest appearance if the force encounters a resistance embodied by oneself.
This moment has a ceremonial quality. And exactly this character can lead both protagonists to relent from wanting to act along predetermined paths of reaction and counteraction. The lack of a moment of pause and consideration – which would seem indispensable for the question of deciding what is to be done – can be prevented by allowing a thought that has entered your mind through the eyes to reach into your own memory and become tangible. Artists can move even more subtly in this terrain and will make use of anything that marks the white cube as a site of ritualised experience and a zone of heightened attention. Famed act with accomplices and agents – such as a preserved and mounted sparrow coated in yellow paint; a ventilator, that, thwarted in its potential to create actual wind by being kept in a glass display cube, creates a mental image of wind; or a loop of film that shows variations of casual farewell. The selection and the appearance of these accomplices and agents fuels the assumption that nonsense plays a supporting role here. Nonsense in the terms formulated by Chus Martinez in the dOCUMENTANotes No. 75: “In this sense, “nonsensical” means being capable of suspending our conventional notions of time (in particular, historical time), to blur the question of origin, to be unoriginal and therefore free to be attentive, to be able to perceive the equivocal as a manifestation of the possible as a way of bypassing essentialism.” For the people the contention of the ceremonial with all its rules lies therein: to trust people to be able to recognise the selfdetermined rules of the game with the end of liberating themselves from the persistent attribution of meaning. “Thinking makes seeing and speaking reach their limits.”
What we witness here is called experience and it can be supportive in clarifying what is to be done within the scope of an individual who musters the courage to assert their individuality and act accordingly.
Stefanie Manthey
Photos: Stefan Fischer
Klar formulierte Fragen haben es in sich. Sie haben eine Richtung. Wer sich dieser Richtung in den Weg stellt, ist mit einer Kraft konfrontiert, die unnachgiebig vorwärts drängt. So lange bis sie das bekommt, was sie fordert. Eine ausformulierte und hörbar artikulierte Antwort. Nicht alle Möglichkeiten, sich dieser eindeutig gerichteten Kraft gegenüber zu verhalten, werden genutzt. Die Option, ihr auszuweichen und die Option, sie reflexartig zurückzuspielen, sind die am häufigsten anzutreffenden Verhaltensmuster. Vertagen heißt die Devise, um sich bis auf weiteres aus einer Situation erhöhter Anspannung zu manövrieren, in der es um menschliches Existieren hätte gehen können. Ist also keine Lösung auch eine Lösung? Statt auszuweichen oder zu retournieren gibt es aber auch die Option, sich der Kraft zu stellen. Stehenzubleiben und nachzuspüren, was dann mit der Kraft in ihrer inneren Struktur und ihrer manifesten Erscheinung passiert, wenn sie auf einen Widerstand trifft, den man selbst verkörpert.
Dieser Moment hat etwas Zeremonielles. Und genau diese Eigenschaft kann die beiden Protagonisten dazu bringen, nicht weiter in einem vorgespurten Muster agieren zu wollen, das nur Reaktion und Gegenreaktion vorsieht. Dem Mangel an einem Innehalten und einem Nachdenken – die bei der Frage, zu entscheiden, was man tut, jedoch unerlässlich sind – kann vorgebeugt werden: Indem man zulässt, dass etwas, das durch die Augen in den Kopf vorgedrungen ist bis an die eigene Erinnerung heranreicht und körperlich spürbar wird. Noch subtiler können Künstler*innen in dieses Gebiet vordringen und dabei alles nutzen, was weiße Räume als ritualisierte Erfahrungsräume und Zonen erhöhter Aufmerksamkeit kennzeichnet.
Famed agiert hier mit Komplizen und Agenten – wie einem präparierten Spatz, der in einen Mantel aus gelber Farbe gehüllt wurde, einem Ventilator, der, in seinem Winderzeugungspotential durch einen Glaskubus gehemmt, mental die Vorstellung von Wind erzeugt oder einem Loop aus Filmmaterial, der saloppes Abschiednehmen variiert. Die Auswahl und die Erscheinungsweise dieser Komplizen und Agenten lässt die Vermutung aufkommen, dass hierbei der Nonsens als Mitspieler gewonnen wurde. Nonsens in einem Verständnis, wie es Chus Martinez in den dOCUMENTA-Notes No. 75 formuliert hat: »Nonsens verweist auf die Fähigkeit, unsere konventionellen Vorstellungen von Zeit, insbesondere der historischen Zeit außer Kraft zu setzen, die Frage nach dem Ursprung zu verwischen, unoriginell zu sein und damit frei dafür, aufmerksam zu sein und das Mehrdeutige als Manifestation des Möglichen, als Methode zur Umgehung des Essenzialismus zu erkennen.« Der Anspruch des Zeremoniellen mit all seinen Spielregeln für den Menschen liegt darin, ihm zu vertrauen, dass er in der Lage ist, die selbstgesetzten Spielregeln mit dem Zweck zu erkennen, sich von der permanenten Bedeutungszuweisung zu befreien. »Denken führt Sehen und Sprechen an ihre Grenzen.«
Was hier passiert, heißt Erfahrung und kann dabei eine Stütze sein, wenn klarer werden soll, was aus dem Radius eines Individuums zu tun ist, das den Mut aufbringt, sich als Individuum zu zeigen und dementsprechend zu agieren.
Stefanie Manthey
Photos: Stefan Fischer